ZAUBER DER WIEDERERKENNUNG

Die Abokonzerte 2023

„Sie hören Musik neu, die Sie schon kennen. Sie hören Musik neu, die Sie noch nicht kennen“, schreibt Chefdirigent Daniel Spaw zum Programm der Abokonzerte 2023. „Sie hören die Musik eines Komponisten im Frühling, und Sie hören seine Musik im Herbst wieder. Ein Werk nach der Pause zitiert ein anderes, das Sie vor der Pause gehört haben. Sie erkennen Ihre eigenen Gefühle wieder, die eine meisterhafte Künstlerin in Töne verwandelt hat. Es ist schön und spannend, Dinge in unserem Alltag wiederzuerkennen: Menschen, Gefühle, Erinnerungen. Haben sich die Dinge verändert, die wir meinen wiederzuerkennen? Oder haben wir uns selbst verändert?“

Es ist lohnend, allseits beliebte Stücke des Konzertrepertoires in neuen Zusammenhängen zu hören. Jedem der sechs Konzerte gilt ein Motto. Mit Sprache lässt sich trefflich spielen, so geht es am 17. Februar um #verLUST und um jene schillernde Stimmung zwischen Realität und Traum, die keine Kunst so gut wiedergeben kann wie die Musik. Wir erleben sie in Stücken von Brahms, Mahler und Dvořák, gleichsam im Spiegel der Romantik, die man oft als „spät“ bezeichnet, obwohl sie ewig jung ist. Den Reigen besonderer Gäste eröffnet der gefeierte Salzburger Bariton Rafael Fingerlos. Die erfolgreiche junge Geigerin Charlotte Thiele, 2023 Artist in Residence, setzt ihn am 31. März fort mit einem der bedeutendsten Violinkonzerte des 20. Jahrhunderts, dem von Benjamin Britten. Über diesem Abend schwebt ein Rätsel, #enigma. Wenn Sie in der 13. der „Enigma-Variationen“ von Englands „Klassiker“ Edward Elgar über Paukenwirbeln einen Dampfer auf hoher See brummen hören und dazu ein Motiv, das sie schon vom Beginn des Konzerts aus einem Naturbild Mendelssohns kennen, dann ist das Rätsel leicht zu lösen – und das Wiedererkennen ist perfekt. Mehr wird hier nicht dazu verraten.

#Liebe&Licht stehen am 12. Mai im Zentrum, wenn Daniel Spaw einen hoch emotionalen Bogen von Tschaikowskis Romeo und Julia-Tragik über Rachmaninows „quecksilbrige“ Klavier-Brillanz zu Beethovens „Durch Nacht zum Licht“ spannt. Für das pianistische Quecksilber, engl. „mercurial“, worin nicht nur ein Metall, sondern auch ein rasanter Gott steckt, sorgt der renommierte rumänische Solist Ioan-Dragoş Dimitriu. Am 30. Juni steht Miran Vaupotić, Musikdirektor der South Czech Philharmonic, am Pult und der preisgekrönte Marko Džomba, Wahlwiener aus Novi Sad, spielt das Saxophon in zwei mitreißenden, sehr brasilianischen Stücken von Heitor Villa-Lobos und Darius Milhaud. Als #exotique, exotisch, wurden früher auch komponierende Frauen wie Mélanie Bonis empfunden, was sich gottlob geändert hat. Ihre charmante Walzer-Suite eröffnet dieses Konzert, das mit Tschaikowskis betörender Schwanensee-Suite endet, also auch den Tanz zum Thema hat.

Am 29. September, mit Daniel Spaw und einem ganz außerordentlichen Gast, dem ersten US-amerikanischen Gewinner des Rostropowitsch-Wettbewerbs und Weltklasse-Cellisten Gary Hoffman, werden Sie Edward Elgars klassisch-romantische Kunst in seinem herrlichen Cellokonzert wiedererkennen, welches nach dem 1. Weltkrieg die Vereinsamung und Sehnsucht des Komponisten ausdrückt – #flyawayHOME… In der 5. Sinfonie von Jean Sibelius fliegen Schwäne über finnische Seen, aber dies ist nicht bloß schöne Naturmalerei, sondern ein harmonisches Meisterwerk der Moderne. Auf das ein Musiker unserer Zeit, der Däne Poul Ruders, mit seiner Hommage an den großen Finnen, Tundra, verweist.

Mit Cornelia von Kerssenbrock gastiert am 20. Oktober eine charismatische Dirigentin und präsentiert das #erbe der Musikgeschichte, mit den in die Tiefe der Zeit reichenden Haydn-Variationen von Brahms und Schumanns Ouvertüre zu seiner einzigen Oper über eine gedemütigte und später geheiligte Frau, Genoveva. Schumann hielt große Stücke auf die Musik der Französin Louise Farrenc. Ihre 3. Sinfonie ist einfallsreiche Neoklassik und zählt zu jenem Teil des Erbes, das lange Zeit verschwiegen wurde. Wir können jetzt „neu hören“, welch tolle Musik Komponistinnen geschaffen haben – und manch Überraschendes darin wiedererkennen.

Gottfried Franz Kasparek

Daniel Spaw
Foto: Andrés Anazco

Sie hören Musik neu, die Sie schon kennen. Sie hören Musik neu, die Sie noch nicht kennen…

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