Das wandernde Theater

Es muss ein verheerendes Feuer gewesen sein, dass im Jahre 1750, in der Nacht vom 4. auf den 5. März, Münchens Hoftheater in Rauch und Asche aufgehen liess. Ein neues Opernhaus musste her. Noch im selben Jahr gab Kurfürst Max III. den Auftrag. Ganz im Stil des Rokokos liess er eine Goldverziehrte Spielstätte bauen: Das Cuvilliés-Theater, benannt nach dem gleichnamigen Architekten.

Schon im Juli 1750 erfolgte die Grundsteinlegung für den Neubau und zwar genau dort, wo heute das Residenztheater steht. Bei seinen Plänen legte François de Cuvilliés viel Wert auf Sicherheit. Er wollte unbedingt vermeiden, dass auch dieser Prachtbau jemals einer Feuersbrunst zum Opfer fallen könnte. Deswegen plante der Architekt extra dicke Außenmauern ein. Dank eines ausgetüftelten Druckwerks unter dem Gebäude hätte notfalls Wasser bis in den Dachstuhl gepumpt werden können. Außerdem sollte künftig ein Haus-Feuerwehrmann die Gefahr bannen, die allein von der Beleuchtung und den insgesamt 1334 Wachskerzen im neuen Theater ausging.

Cuvilliés-Theater
Foto: Jochen Gnauert

Für den kunstvollen Innenausbau wurden in den Wäldern am Staffelsee über 1000 Bäume gefällt. Vier Stockwerke mit jeweils 14 Logen umschließen hufeisenförmig das Parterre. Die Kurfürstenloge erstreckt sich über die beiden mittleren Stockwerke und steht der Bühne gegenüber. Sie ist der künstlerische Mittelpunkt des Raumes. Die damalige Gesellschaftseinteilung spiegelt sich in der unterschiedlichen Ausgestaltung der verschiedenen Ränge wider: Je weiter unten, desto schlichter. Das Cuvilliés-Theater bot nicht nur bekannten Opern eine Bühne – Mozarts Idomeneo wurde hier uraufgeführt -, der Hofgesellschaft war es auch perfekte Kulisse für rauschende Feste. Es war „ein Juwel des Rokoko“. Anlässlich der Erhebung Bayerns zum Königreich 1806 wohnte sogar Napoleon einer Aufführung von Don Giovanni bei.

Aber Anfang des 19. Jahrhunderts änderte sich der Zeitgeschmack. Der vorher so gefeierte Rokoko-Stil war nicht mehr in Mode und das Theater gegen Erwerb einer Eintrittskarte auch für die „normale“ Bevölkerung zugänglich. Es verlor immer mehr an Ansehen und wurde schließlich als Lagerraum genutzt. Auch von Abriss war die Rede. Bis sich Maximilian II. und sein Sohn Ludwig II., der Märchenkönig, des alten Hoftheaters annahmen und den Prachtbau zum Ende des Jahrhunderts wiederbelebten. Zu einer Rettungsaktion sondergleichen kam es im Jahr 1944. Gerade noch rechtzeitig bevor Spreng- und Brandbomben im Zweiten Weltkrieg das Cuvilliés- Theater zerstört hätten, konnte man die kunstvoll geschnitzten Logenverkleidungen und das einzigartige Holzinterieur demontieren und an einem sicheren Ort am Starnberger See verstecken. Dort lagerten die Teile unbeschadet bis 1956, bevor sie in detaillierter Kleinstarbeit restauriert und in Rekordzeit nicht am Originalstandort, sondern im sogenannten Apothekenstock der Residenz München wiederaufgebaut wurden. Heute ist das Cuvilliés-Theater vom Brunnenhof der Residenz aus zugänglich.

Jochen Gnauert, Geschäftsführer Bad Reichenhaller Philharmoniker
Im Laufe meiner Tätigkeit als Opernregisseur und Konzertveranstalter habe ich im deutschsprachigen Raum viele sehr besondere Spielstätten – von Schlössern oder Waldbühnen über Industriehallen bis zu historischen Theatern - kennengelernt. Mich begeistert, in welcher kulturellen Pracht wir in Deutschland leben dürfen. Das Cuvilliés-Theater in München ist aber sicher eines der herausragendsten Theater und fantastisch geeignet für Barockmusik, die ich so liebe. Dieses traumhafte Theater sieht aus wie die – nebenan stehende - große Staatsoper in Miniaturform. Das Besucher-Erlebnis ist dort ganz besonders, man hat von allen Plätzen hervorragende Sicht.
Meine Lieblingsproduktion, die ich dort machen durfte, war die Oper Julius Cäsar von Händel, mit dem Salzburger Ensemble 1756 und in Kooperation mit der Modehochschule in München, die für uns Barockkostüme kreiert hatte. Gleichzeitig ist es auch der Ort, der mich an eines der schlimmsten Konzerterlebnisse erinnert. Eines unserer Neujahrskonzerte musste dort ausfallen, weil jemand kurz vor dem Konzert die Sprinkerlanlage ausgelöst hatte und das Theater wurde mit viel Wasser geflutet und musste anschließend aufwändig renoviert werden.

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